Das Projekt „Weimarer Kinderbibel"

Worum es ging

Man nennt sie das Buch der Bücher. Weil sie so bedeutend ist. Und weil sie ein Buch ist, das aus vielen einzelnen Büchern besteht: die Bibel. Vor 500 Jahren hat einer eine Revolution ausgelöst, weil er die Bibel gelesen hat. Und weil er wollte, dass alle sie lesen können. Martin Luther hieß er. Er hatte viele Freunde. Einer hat so lange getüftelt, bis er wusste, wie man Bücher druckt. Das gab es vorher noch nicht. Keine Bücher, kein Fernsehen, keine Computer. Damals hatte man die Geschichten der Bibel noch mit Hand abgeschrieben. Oder gemalt. So haben wir das auch gemacht.

Zeitreise zu Luther 

Im unserem Projekt „Die Weimarer Kinderbibel“ gingen wir zurück in die Zeit um 1500. Wie haben Menschen damals gelebt und gewohnt und gearbeitet? Wie haben sie gelernt und sich unterhalten? Martin Luther konnte man in unserem Projekt kennenlernen. Wie er Mönch wurde und was er geglaubt hat, wo er lebte und wie seine Ideen in die ganze weite Welt gekommen sind. Die Bibel konnte man auch kennenlernen - das Buch mit den vielen Büchern und Geschichten. Menschen, die sie heute lesen, haben ihre Geschichten erzählt.

Und dann durften alle beteiligten Kinder loslegen: schreiben und malen, gestalten. Ihre eigenen biblischen Geschichten. Studierende der Bauhaus-Universität Weimar wissen, wie man so etwas macht. Sie halfen dabei, die Buchstaben so schön zu malen, wie man das damals gemacht hat. Am Ende haben wir alle Geschichten in einem Buch mit mehreren Einzelbänden zusammengebunden. 

Von Lucas Cranach gemalt 

Viele Dinge, die wir heute machen, halten nur ein paar Jahre. Einiges, was Luther und seine Freunde gemacht haben, können wir uns heute noch ansehen, 500 Jahre später. In unserer Stadt Weimar. Eine der ersten gedruckten Bibeln steht in der Anna Amalia Bibliothek. Drei Bilder, die der Maler Veit Thiem 1572 von Martin Luther gemalt hat, sind in der Herderkirche zu sehen. Dort steht auch ein großes Gemälde, das Lucas Cranach d.J., wohl der berühmteste Maler jener Zeit, gemalt hat, weil er von Luther begeistert war. Damals war der „Cranach-Altar“ spektakulär anders, als alle anderen. Und man kann zum Beispiel in das Schloss-Museum gehen. Dort haben etliche Künstler Bilder zu Geschichten der Bibel gemalt. All das gehört zu unserem Projekt „Die Weimarer Kinderbibel“. Einen Teil der entstandenen Geschichten und Bilder könnt ihr in 90 Schubkästen im Forscher- und Entdeckerraum in der Weimarer Herderkirche bestaunen.

Die Idee zum Projekt hatte Dr. Annette Seemann. Es wurde getragen von der Literarischen Gesellschaft Thüringen. 

Autorin: Ulrike Greim

1. Projektphase

Ganze Schulklassen machten sich auf den Weg, die Lutherzeit zu erforschen

Wer war Martin Luther? Wie war das eigentlich damals vor 500 Jahren – wie hat man da gelebt, gekocht und gegessen? Was, die hatten damals noch keine Computer? 

Viele Fragen gab es und viele Antworten: in einer Projektwoche gingen die beteiligten Schulklassen auf Spurensuche. Was ist heute aus der lange vergangenen Zeit noch übrig geblieben? In der Herderkirche in Weimar gibt es Bilder, die 500 Jahre alt sind, Bibeln aus dieser Zeit stehen in der Herzogin-Anna-Amalia-Bibliothek. In der Pavillon-Presse, einem druckgrafischen Museum in Weimar, kann man den Buchdruck ausprobieren, so wie zu Luthers Zeiten. Wie Luther als Mönch gelebt hat, kann man sich im Augustinerkloster Erfurt ansehen und auf der Wartburg in Eisenach Luther als Junker Jörg.

2. Projektphase

Geschichtenerzähler kamen in die Schulen

Früher gab es noch keinen Fernseher, ganz früher noch nicht einmal Bücher für jeden. 

Da hat man sich die Geschichten noch erzählt. Der Vater dem Sohn, Lehrer ihren Schülern. So war es auch im Kinderbibel-Projekt. Es wurde nicht vorgelesen, es wurde erzählt. Frauen und Männer aus Weimar besuchten die Klassen. Alle waren Christen, die die Bibel von Kindheit an kannten. 

Damit es gerecht zuging, wurden drei bis vier kindertaugliche Bibelgeschichten den Klassen zugelost und von verschiedenen Geschichtenerzählern erzählt. Von Kain und Abel zum Beispiel, von Noah und der Sintflut und dem zornigen Jesus. Nach dem Hören kam das Schreiben: Die  Kinder hatten die Aufgabe, die Geschichten in eigenen Worten wiederzugeben, durchaus eigene Akzente zu setzen oder sie in die Gegenwart zu hoben. Die Geschichten der „Weimarer Kinderbibel“ entstanden.  

3. Projektphase

Gestaltungsphase

Im Projekt „Weimarer Kinderbibel“ bestand eine enge Zusammenarbeit mit der Bauhaus-Universität Weimar. Dr. Andrea Dreyer, Professorin für Kunst und ihre Didaktik, unterrichtete Studierende und vermittelte ihnen sechs verschiedene Techniken: Kalligrafie, Druck, experimentelle Malerei, Collage/Assemblage, Fotografie und Computergrafik. Alle wurden experimentell aufgefasst. Die Studierenden gingen anschließend in die beteiligten Schulklassen und vermittelten ihrerseits die erworbenen Kenntnisse. Sie entwickelten Ideen, wie die biblischen Texte mit den Kindern gestaltet werden konnten. Sie hielten jeweils über einen Vormittag hinweg Workshops ab, in denen höchst kreativ gearbeitet wurde, gemalt, gedruckt, experimentiert. Am Ende entstanden viele beeindruckende Werke. Sie gingen in unterschiedliche Ausstellungen ein (Weimar, Erfurt, Eisenach, Neudietendorf, Paderborn, Wittenberg). Nach Möglichkeit sollte jedes teilnehmende Kinde mit einer Geschichte und der zugehörigen Gestaltung in der Druckfassung der „Weimarer Kinderbibel“ vertreten sein. In den PDFs zu den sechs Gestaltungstechniken finden sich zahlreiche Anregungen zum Nachahmen.

Gestaltungskonzepte zum Download  

4. Projektphase

Alle blättern in der Kinderbibel

„Früh am Morgen ist es am See Genezareth am schönsten – der Fischgeruch hängt mit einer leichten Frische in der Luft und die Vögel singen ihr Morgenlied.“ So beginnt Marie-Luise, 12 Jahre, ihre Version der biblischen Geschichte von der Berufung der ersten Jünger. Das Mädchen hat sich ganz und gar in die Situation von Jesus und seinen Jüngern eingefühlt, sich die Landschaft vorgestellt, ist buchstäblich am See Genezareth dabei.

Ihr Zugang zur biblischen Geschichte spiegelt die Besonderheit der Weimarer Kinderbibel, die keine Bibel von Erwachsenen für Kinder ist, wie es Kinderbibeln sonst sind. Vielmehr bekamen Kinder die Möglichkeit, sich mit Geschichten der Bibel und ihrer Zeit vertraut zu machen. Sie konnten die Texte mit eigenen Worten aufschreiben und sie in ihre individuelle Bildsprache übersetzen. „Den Kindern das Wort geben“, sie als kompetent zu erachten, die unendliche Geschichte der Bibel weiterzutragen und neu zu erzählen – dies war unser Ansatz, die Motivation, ein Projekt mit über siebzig direkten Partnern ins Leben zu rufen und seit 2011 zu verwirklichen. Bis zum Reformationsjubiläum im Jahr 2017 entstanden sechs großformatige Bände einer Kinderbibel.

Jeder Band bezieht sich auf andere Geschichten des Alten und Neuen Testamentes. Jedes Jahr war geprägt durch neue Eindrücke für wiederholt beteiligte oder neue Klassen, auch außerhalb Weimars, und durch die wechselnden Studierendengruppen mit ihren Ideen und vielseitigen gestalterischen und künstlerischen Expertisen. Die unterschiedlichen technischen wie medialen Schwerpunkte in der bildnerischen Arbeit, die verschiedenartigen methodischen Entscheidungen der Studierenden, die wechselnden Rahmenbedingungen in den Schulen sowie die schöpferische Vielfalt der Kinder und Jugendlichen in Text und Bild bestimmten die Aussagekraft der einzelnen Bände, in welche hier exemplarisch Einsicht genommen werden kann. 

Die zauberhaften Neuinterpretationen der ausgewählten Bibelgeschichten aus dem Alten und Neuen Testament und die teils verblüffenden Gestaltungsergebnisse, die den erwachsenen Leser und Betrachter wechselweise zum Staunen, zum Schmunzeln oder zur Bewunderung bringen, haben die Frische eines ersten Zugangs, die „Frische“ des frühen Morgens am See Genezareth.

Alle Kinderbibelbände, abgesehen von Band 1, können im Buchshop der Literarischen Gesellschaft Thüringen e.V.  erworben werden. In einem zusätzlichen Band wurden „erlesene Geschichten und Bilder“ zusammengefasst. Auch dieser Band ist im Buchshop erhältlich.

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